Sehnsuchtsland Schweden

Kommt bald der „Sechs-Stunden-Arbeitstag“?

Von Ansgar Lange +++ Es hört sich an wie eine Utopie oder ein schönes Sommermärchen. Wer möchte nicht zwei Stunden weniger pro Tag arbeiten, dafür aber vollen Lohnausgleich bekommen? Bei der Stadtverwaltung in Göteborg soll aus dem Traum nun Wirklichkeit werden. Einige Firmen in Schweden und Norwegen praktizieren dieses Modell bereits, wie Spiegel Online http://www.spiegel.de berichtet. Befürworter des Sechs-Stunden-Tags sagen, eine solche Maßnahme sei nicht nur arbeitnehmerfreundlich, sie rechne sich auch. Der Krankenstand sinke, die Produktivität steige an.

Die Stockholmer Zeitung „Aftonbladet“ titelte erregt: „Wir wollen Sex, wir wollen den Sex-Stunden-Arbeitstag!“ – die Zahl sechs wird auf Schwedisch genau wie das Wort Sex buchstabiert. Andere Stimmen gerieten hingegen nicht sogleich in Verzückung und mahnen, Kommunen müssten zunächst draufzahlen, „weil sie zum Ausgleich für verkürzte Schichten im Altersheim mehr Personal einstellen müssten.“

Der Personalexperte Michael Zondler bezweifelt, ob ein solches Pilotprojekt sich ausgerechnet für den Gesundheitssektor eignet. „Im Gesundheitssektor herrscht schon jetzt Personalnot, in Schweden wie in Deutschland. Ob ein kommunales Altersheim wirklich ein gutes Experimentierfeld ist, muss bezweifelt werden. Zudem ist es ein Grundsatz guter Personalführung, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Unternehmens gleich behandelt werden. Wenn nun aber über ein Jahr lang 20 bis 30 Mitarbeiter in den Genuss des Sechs-Stunden-Tages bei vollem Lohnausgleich kommen, andere aber weiter ihre regulären acht Stunden leisten müssen, dürfte dies die Mitarbeiterzufriedenheit nicht erhöhen. Dies weckt Neidgefühle und riecht nach Vorzugsbehandlung“, so der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens centomo http://www.centomo.de mit Firmensitzen in London, Ludwigsburg und Sindelfingen.

„Die Frage der Arbeitszeit ist wichtig“, so Zondler. „Denn einen großen Teil des Tages verbringen wir im Büro oder an der Werkbank oder befinden uns auf dem Weg dorthin. Mitarbeitern geht es aber noch um mehr. Wichtig ist zunächst, dass man davon leben können muss, wenn man 40 Stunden oder mehr in der Woche arbeitet. Alles andere wird als unfair und demotivierend wahrgenommen. Auch die Motivation durch den Arbeitgeber durch Lob oder Tadel, die permanente Flexibilisierung der Arbeitswelt mit sinkender Arbeitsplatzsicherheit sowie die Arbeitsbedingungen – wie trenne ich Privates und Berufliches? – sind entscheidende Faktoren, die darüber entscheiden, ob ein Arbeitsplatz mehr ist als bloß ein Job.“

Der Potsdamer Arbeitszeitberater Andreas Hoff sagte gegenüber dem Deutschlandradio http://www.deutschlandradiokultur.de, dass der Göteborger Modellversuch zur Arbeitszeitreduzierung nur auf den ersten Blick wirklich gut ausschaue: „Wenn das kostenneutral sein sollte, dann müsste die Produktivität rechnerisch um 33 Prozent steigen. Das dürfte bei den verdichteten Arbeitsprozessen, die wir zumindest in Deutschland haben, unrealistisch sein.“ Die Wissenschaft habe schon lange gezeigt, dass Teilzeitkräfte geringere Fehlerquoten unter sonst gleichen Lebensumständen hätten wie Vollzeitbeschäftigte. Aber das mache in der Größenordnung vielleicht ein, zwei oder drei Prozent aus. Die Kostensteigerungen, die mit dem vollen Lohnausgleich verbunden seien, könnten also definitiv nicht ausgeglichen werden.

„Manche arbeiten gern sechs Stunden am Tag, manche acht und andere sogar zehn. Dies kann man nicht über einen Kamm scheren. Für Angestellte muss hier ein einheitlicher Richtwert gefunden werden. Und es dürften sich nur wenige Arbeitgeber finden, die für zwei Stunden mehr Freizeit ihrer Angestellten ordentlich draufzahlen. Wer sich wirklich flexible Arbeitszeiten wünscht, der muss den Sprung in die Selbständigkeit wagen. Doch mit sechs Stunden pro Tag können sich nur wenige langfristig über Wasser halten. Die Lust auf den „Sex-Stunden-Tag“ könnte also rasch wieder abflauen“, sagt Zondler. Bildquelle: 

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