Offene Immobilienfonds in der Krise – Das Ende der \“Betongeld-Klasse\“?

Ein Interview mit Rechtsanwalt Lars Lüthke von der Kanzlei PWB Rechtsanwälte (Jena)
Offene Immobilienfonds in der Krise - Das Ende der "Betongeld-Klasse"?

Erfurt/Jena, 8. März 2012. Wer in Internetsuchmaschinen den Begriff „Offene Immobilienfonds“ („OIF“) eingibt, findet eine Vielzahl von Schreckensmeldungen. Fonds, die aufgelöst wurden, Fonds, die sich in Auflösung befinden und Fonds, die für zwei Jahre auf Eis gelegt wurden. Ist die Form der Geldanlage in Sachwerte ein Auslaufmodell? all4press will es genauer wissen. Wir interviewten Rechtsanwalt Lars Lüthke von der Kanzlei PWB Rechtsanwälte in Jena, die sich auf Kapitalanlagerecht spezialisiert hat.

all4press: Herr Lüthke, in den Medien überschlagen sich die Meldungen über eingefrorene und aufgelöste Offene Immobilienfonds (OIF). Ist diese Anlageform ein Auslaufmodell?

RA Lüthke: Nein, das sicher nicht. Ein Offener Immobilienfonds ist immer noch eine Anlageform der niedrigen Risikoklasse. Allerdings muss der Anleger zwei wichtige Dinge beachten. Wer mit Geldanlagen Geld gewinnen möchte, sollte nicht alles auf ein Pferd setzen. Und: Investitionen in einen offenen Immobilienfonds sind eine eher langfristige Angelegenheit. Wer glaubt, er könne in ein oder zwei Jahren ein Vermögen damit verdienen, irrt sich. Dass zurzeit etliche Fonds in Schwierigkeiten geraten sind, ist natürlich unübersehbar und verunsichert die Anleger. Das spüren wir auch in unserer Kanzlei. Immer wieder bekommen wir Anfragen wegen möglicher
Schadenersatzansprüche gegenüber verschiedenen Emittenten.

all4press: Woran liegt es denn, dass offene Immobilienfonds so schnell in Schwierigkeiten geraten können?

RA Lüthke: Das hat etwas mit der rechtlichen Konstruktion dieser Fonds zu tun. Die Anlageklasse der offenen Immobilienfonds wurde einst sehr treffend als „Betongeld“ bezeichnet. Beton ist dauerhaft, standhaft und strahlt Sicherheit aus. Andererseits natürlich auch unbeweglich. Offene Immobilienfonds investieren, wie der Name schon sagt, in Immobilien. Seit der Immobilienkrise 2008 zogen viele Anleger hohe Geldsummen aus ihren Fonds heraus. Geschieht dieser Finanzabzug kompensiert, gerät die Gesellschaft schnell ins Schleudern. Man kann Hotels, Bürokomplexe oder Wohnhäuser nicht über Nacht zu Geld machen, um die Anleger zu bedienen. Die Notbremse ist dann die vorübergehende Schließung des Fonds. Der Gesetzgeber erlaubt dies für maximal zwei Jahre. In dieser Zeit kann der Fondsherausgeber nun versuchen seine Immobilien zu verkaufen, um die Anleger nach diesen zwei Jahren wieder bedienen zu können. Ist aber absehbar, dass dies nicht fristgerecht gelingen wird, muss der Fonds abgewickelt, also aufgelöst werden; aktuelles Beispiel ist der KanAm Grundinvest-Fonds.

all4press: Welche Möglichkeiten bleiben den Anlegern?

RA Lüthke: Zunächst bleiben den Anlegern bei einem vorübergehend geschlossenem Fonds zwei Möglichkeiten. Anleger können ihre Anteile über die OIF-Handelsplätze der Börse verkaufen. In Hamburg z. B., einem der führenden Handelsplätze für OIF, wurden von Januar bis November 2011 Offene Immobilienfonds im Wert von über 700 Millionen Euro gehandelt. Eingefrorene und in Abwicklung befindliche Fonds nehmen einen Großteil des Betrages ein. Der Verkäufer muss aber mit Verlusten zwischen 10 und 20 Prozent rechnen. Aber kommen wir nun zurück zur zweiten Möglichkeit für betroffene Anleger: Aussitzen. Bei manchen Fonds kann es sich durchaus lohnen, die vorübergehende Schließung oder sogar die Liquidierung auszusitzen. Das liegt natürlich immer am Portfolio der Emittentin. Gibt es darin richtig gute Immobilien, so lassen sich diese sicher auch gut verkaufen. Allerdings empfehle ich in vielen Fällen auch, die Anlage von einem erfahrenen und spezialisierten Rechtsanwalt auf mögliche Schadenersatzansprüche überprüfen zu lassen. Leider halten viele OIF nicht das, was sie einst im Prospekt versprochen hatten. Schadenersatzansprüche könnten gegen den Initiator, die Berater oder gegen die Beratungsgesellschaft geltend gemacht werden. Unsere Kanzlei PWB Rechtsanwälte gewinnt immer wieder Prozesse in Sachen Schadensrecht und Investorenschutz.

all4press: Laut Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) wurden von Januar bis September 2011 rund 735 Millionen Euro aus Aktienfonds abgezogen und über 870 Millionen Euro in Offene Immobilienfonds investiert. Ist das ein Signal des neuen Vertrauens?

RA Lüthke: Ich bin mir sicher, dass es immer einige gute Immobilienfonds geben wird. Fonds, die auch die jetzige Krise überleben. Allerdings sind all Geldanlagen immer mit einem gewissen Risiko verbunden. Das gilt natürlich auch für Offene Immobilienfonds. Bei OIF sollte man also auch ganz genau hinsehen. Erst informieren, dann investieren.

all4press: Neben dem KanAm Grundinvest-Fonds, der liquidiert wird, stehen im Mai noch zwei weitere, auf Eis gelegte Fonds vor der Frage: Wieder beleben oder Auflösen. Ist das bezeichnend für das Schicksal der OIF?

RA Lüthke: Nein. Schon allein die neuen gesetzlichen Regelungen werden den Privatanlegern etwas besseren Schutz vor Verlusten verschaffen. Die Möglichkeit, Anteile in unbegrenzter Höhe täglich an die Fondsgesellschaft zurückzugeben, gilt nur noch bis Ende 2012. Ab dann wird es für Beträge von mehr als 30.000 Euro eine einjährige Kündigungsfrist geben. Die Großanleger können also nicht mehr ad hoc ihre Anteile zurückgeben. Für neue Anleger gilt dann eine Mindesthaltedauer von zwei Jahren. Das könnte einigen angeschlagenen Fonds helfen, die sich mit der Frage der Schließung mangels Liquidität herumschlagen müssen.

all4press: Vielen Dank Herr Lüthke für dieses Gespräch.

Informationen zur Rechtsanwalt Lars Lüthke und die Kanzlei PWB Rechtsanwälte (Jena) finden Sie unter www.pwb-law.com

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