„Alte Kühe sind das Kapital des kleinen Betriebes“

Mehrjährige Vergleichsberechnungen belegen: Nachhaltige und liebevolle Milchviehhaltung ist dem Verschleiss der Nutztiere wirtschaftlich überlegen

Herwig Klemp

„Unsere 25 Milchkühe sind im Schnitt siebeneinhalb Jahre alt. Und unsere älteste Kuh – sie heisst Lexi – ist jetzt 13.“ Bei diesen Worten von Jungbauer Bernd Vollmer staunen die rund 70 Besucher der Milchtagung in Warburg-Hardehausen nicht schlecht. Den dort am 28. Februar 2011 versammelten Praktikern muss der 34-jährige Bioland-Milcherzeuger nicht erst erläutern, dass in einem normalen Betrieb nur wenige Kühe älter als drei Jahre werden. Es gilt als ökonomisch sinnvoll, die Tiere bereits bei eher kleinen Krankheitssymptomen zum Schlachthof zu bringen.

Auf dem Vollmerschen Hof wird traditionell versucht, kranke Tiere mit homöopathischen Mitteln zu kurieren. Für Senior Herrmann Vollmer gebietet das einfach schon die Liebe zum Tier. Darüber hinaus hat er aber die Worte seines Vaters im Ohr. Der lehrte ihn einst: „Alte Kühe sind das Kapital des kleinen Betriebes.“ Bernd Vollmer hat diese Werthaltungen und das Wissen von Vater und Großvater verinnerlicht. Trotzdem hat er sich die Mühe gemacht, über einen mehrjährigen Zeitraum die wirtschaftliche Seite des traditionsreichen Vorgehens mit der heute gängigen Praxis der Milcherzeugung zu vergleichen. Beraten von Fachleuten der Landwirtschaftskammer hat er beispielsweise die Kosten für die Aufzucht von Kühen einbezogen und auch berücksichtigt, dass deren Milchleistung anfangs nur langsam zunimmt. Bernd Vollmers Vergleichsberechnungen belegen: Die nachhaltige Tierhaltung ist deutlich wirtschaftlicher als der verbreitete Weg.

Die Nutzungsdauer von Vollmers Milchkuhherde liegt nicht nur fünf Jahre höher als der bundesdeutsche Durchschnitt. Überrascht waren die anwesenden Praktiker auch von der Relation zwischen Futtereinsatz und Milchleistung: Zusätzlich zum Grundfutter aus Gras, Heu und Silage gibt es nur wenig Kraftfutter: Etwa 1,5 Kilogramm erhalten die Tiere pro Tag an Hafer-Gerste-Gemenge. Aus diesen Futtergaben bringen die Bio-Kühe auf dem Vollmerschen Hof in Rheda-Wiedenbrück 7.500 Kilogramm Milch pro Tier und Jahr. Eine stolze Leistung!

Erzeugt wird das Kraftfutter auf dem eigenen Hof. Etwa die Hälfte der 34 ha Betriebsfläche sind Grünland, der Rest Ackerland. Als Kulturarten erzeugen Vollmers Kleegras, Sommerweizen, Winterroggen, Dinkel, Silomais, Kartoffeln und Hafer-Sommergerste.

34 Hektar Betriebsfläche, 25 Kühe: das Ganze in der Niederung der Ems in Rheda-Wiedenbrück, auf sandigem und sandig-lehmigem Boden mit nur 15 bis 50 Bodenpunkten. Über den Äckern von Vollmers Biohof jubilieren im Frühjahr noch Feldlerchen. Überall aber hört man, Milchbauern wären ganz besonders von einer Agrarpolitik und einem Markt betroffen, die gnadenlos zu stetigem Wachstum zwingen, um über die steigende Produktionsmenge die sinkenden Erzeugerpreise zu kompensieren. Selbst Bio-Milcherzeuger halten im Durchschnitt schon fast 60 Kühe.

Wie sehen Vollmers in die Zukunft? Denken sie an eine Erweiterung ihres Betriebes? Der Jungbauer antwortet eher philosophisch: „Immer mehr, mehr, mehr und ständig vergrößern, das ist keine Lösung. Bäume wachsen auch nicht in den Himmel. Krebs wuchert bis er seinen Wirt zerstört.“ Worauf es seiner Ansicht nach wirklich ankommt: „Gut und genau sein in dem was man tut – und seine Aufgaben mit Sparsamkeit, Ehrgeiz und Liebe anpacken.“

Aus dem Mund eines Jungbauern, der als Familienvater auch an kommende Generationen denkt, klingt das als Maxime ungewohnt. Ein wenig fremd mutet es an, klingt als unternehmerischer Wahlspruch in manch einem Ohr vielleicht weltfremd. Das ist Bernd Vollmer jedoch keineswegs. Sonst wären die eingangs erwähnten 70 Praktiker nicht so begeistert gewesen von seiner Botschaft.

Zur Erläuterung der Bodenpunkte: Deutschlands ertragreichste Böden liegen in der Magdeburger Börde. Sie wurden bei Einführung der Bodenpunkte oder Ackerzahl gleich 100 gesetzt. 50 Bodenpunkte entsprechen einer Bodenqualität, die die Hälfte der Erträge der Spitzenböden bringt. Äcker mit weniger als 20 Punkten gelten als landwirtschaftlich kaum nutzbar. Mehr Infos über Landwirtschaft, Umweltschutz und nachhaltiges Leben auf
Dipl.-Psych. Herwig Klemp ist freier Journalist und Initiator der Internet-Plattform Landsicht.net. Sein Themenbereich: Natur und Landschaft in Abhängigkeit von menschlichem Wirtschaften. – Autor zahlreicher Bücher über Landschaften.

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